Guten Morgen (kann man das um die Zeit überhaupt schon sagen?)
Wir öffnen heute unser 15. Türchen am Adventskalender. Dies hat Koibito-san für uns verfasst. Viel Freude beim Lesen!
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Zur Adventszeit gibt es in manchen Betrieben oder Schulen die Tradition des Wichtelns. Das heißt, man bekommt einen seiner Mitmenschen zugelost, dem man dann, möglichst täglich, eine kleine Freude machen soll. Damit hat jeder einen kleinen Wichtel, der einem eine Freude macht, und man selbst bereitet anderen eine Freude.
Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeiten in kleinen Dingen.
Shuichi runzelte verärgert die Stirn, als er den Spruch im Glückkeks las.
Blablabla. Schön für die Leute, die solche schlauen Sprüche mal von sich gegeben hatten, was in diesem Fall Wilhelm Busch gewesen war, aber warum musste man dann solche Pseudowahrheiten in seinen Nachtisch stecken?
„Du siehst ja aber begeistert aus, muss ja wirkliche ein toller Spruch auf dem Zettelchen stehen“, meinte Sherry ironisch. Sie öffnete ebenfalls ihren Glückskeks und las laut vor: „Dein Leben wird sich bald drastisch verändern, stähle also Geist und Körper. Ahja, hört sich ja gruselig an“, sagte sie spöttisch.
Shuichi verzichtete auf eine Grimasse, die man vielleicht als Lächeln hätte durchgehen lassen können, und biss in seinen Glückskeks.
„Was zum…?!“ Er würgte und spuckte den Keks wieder aus.
„So viel zu Glück in kleinen Dingen, eher Pech, der Keks schmeckt ja widerlich.“ Mit spitzen Fingern schob Shuichi die Reste des Gebäcks beiseite. Wie auf Knopfdruck kam ein Kellner herangeeilt und entschuldigte sich mit tausenden Verbeugungen. Es hätte eine Verwechslung in der Küche gegeben und statt Zucker wäre Salz dem Teig beigemengt worden, der Fehler wäre aber erst viel zu spät bemerkt worden. Es täte ihm ja so unendlich leid. Der Mann wirkte wie ein kleiner Wackeldackel, der immer mit dem Kopf hin und herschwang, einmal, zweimal, dreimal, hundertmal, bis man ihn stoppte. Diesen Wackeldackel stoppte leider niemand sodass sich der Redeschwall des Mannes noch weiter auf die beiden Mitglieder der schwarzen Organisation ergoss, aber Shuichi hatte sich mit den Jahren die Fähigkeit antrainiert, seine Ohren auf Durchzug stellen zu können. So klappte der Mund des Mannes nur auf und zu, auf und zu. Und er schwankte vor und zurück, vor und zurück.
„Das war es dann wohl mit unserem tollen Geschäftsessen, was?“, lachte Sherry als der Kellner gegangen war. Shuichi gab nur ein unwilliges Brummen von sich, verabschiedete sich von Sherry und verließ das Restaurant, die Schultern hochgezogen und die Hände tief in den Taschen vergraben.
Es war bereits dunkel geworden und im warmen Licht der Straßenlaternen tanzten die Schneeflocken ihren kalten Reigen. Der Schneefall wurde mit jeder Minute dichter, die Shuichi sich vom Lokal in Richtung Akemis Wohnung bewegte. So sah er auch nicht den Strommast, der aus dem Nichts aufzutauchen schien. Als Shuichi und der Mast schmerzhaft Bekanntschaft machten, war es längst zu spät, noch auszuweichen. Leuchtend rotes Blut fraß sich einen Weg durch den weißen Schnee. Tropf. Tropf.
„Na super, der Glückskeksspruch scheint ja eher gegenteilige Bedeutung zu haben“, fluchte Shuichi und starrte mit leerem Blick auf das Blut, das noch vor wenigen Sekunden durch seinen Körper pulsiert war, ihn am Leben erhalten hatte und nun leblos bizarre Muster im Schnee formte. Nur die Spritzmuster ließen die Lebendigkeit erahnen, die der roten Masse einmal innegewohnt hatte.
Betäubt fasste sich Shuichi an die Nase und stolperte weiter. Er hinterließ eine Spur aus kleinen roten Tropfen in dem noch so makellosen Schnee. Tropf. Tropf.
Die Menschen, an denen er vorbeiging, hasteten weiter, nachdem sie ihn eines kurzen Blickes gewürdigt hatten.
Kein Wunder eigentlich, schließlich hat doch heutzutage niemand mehr Zeit für den anderen. Schon gar nicht in der Weihnachtszeit. Jeder ist immer auf dem Weg irgendwohin, das Ziel fest vor Augen, nach rechts oder links geguckt wird aus Zeitmangel nicht.
Minuten voller Tropfen und wirbelnden Schneeflocken später erreichte er ein unauffälliges Hochhaus. Es entsprach ganz dem Stil der schwarzen Organisation, unscheinbar und keine Aufmerksamkeit erregend.
Mit der einen Hand seine Nase haltend, schloss Shuichi die Wohnungstür im dritten Stock auf. Auch wenn die Blutung mittlerweile versiegt war, tat die geschwollene Nase noch weh. Leise vor sich hin murmelnd trat Shuichi in die Wohnung ein.
Das erste, was er wahrnahm, war Plätzchengeruch.
Von der Küche her wehte ein leichter Geruch von Plätzchen in den Eingangsbereich, der Shuichis Mundwinkel um einige Millimeter hob. Zu dem Duft gesellte sich eine warme Stimme, die leise Jingle Bells sang.
Er streifte gerade Mantel und Schuhe ab, als ihm in seiner Jackentasche ein kleiner Zettel auffiel.
Hab einen schönen Tag und genieß das Essen mit meiner Schwester stand darauf. Ein kurzer Satz, der so viel transportieren konnte. Eine Geste, die so viel bedeutete. Akemi hatte auf dem Zettel unterschrieben, wobei die Namenskanjis mit einem Herzchen umrandet waren und ein kleiner Smiley daneben gemalt war. Beim Anblick dieses Liebesbeweises wurde Shuichi warm ums Herz und er betrachtete den Zettel zärtlich.
Um den Zauber des Augenblicks nicht zu zerstören, ging Shuichi auf leisen Sohlen in die Küche. Dort stand Akemi mit von der Hitze des Backofens leicht geröteten Wangen und stach Plätzchen aus. Shuichi umarmte sie von hinten und lehnte seinen Kopf an ihren. Sie hielt im Backen inne und legte ihre Hand auf seine.
Er lächelte.
Es ist nicht wichtig, wie groß das Geschenk ist, viel mehr zählt die Geste, die Aufmerksamkeit in den kleinen Geschenken. Denn darum geht es ja eigentlich auch in der Adventszeit. Es geht nicht um den Anspruch alles zu erledigen, nicht darum zu hetzen. Von Weihnachtsfeier zum Weihnachtsgeschenke kaufen, vom Weihnachtsgeschenke kaufen zum Plätzchen backen, vom Plätzchen backen zum Dekorieren und Schmücken.
Es geht vielmehr darum, sich mehr um seine Mitmenschen kümmert, sich seiner selbst stärker bewusst werden, zur Ruhe kommen, sich zu besinnen.
Das Glück in der Aufmerksamkeit in kleinen Dingen zu finden.
Wir öffnen heute unser 15. Türchen am Adventskalender. Dies hat Koibito-san für uns verfasst. Viel Freude beim Lesen!
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In den kleinen Dingen
Zur Adventszeit gibt es in manchen Betrieben oder Schulen die Tradition des Wichtelns. Das heißt, man bekommt einen seiner Mitmenschen zugelost, dem man dann, möglichst täglich, eine kleine Freude machen soll. Damit hat jeder einen kleinen Wichtel, der einem eine Freude macht, und man selbst bereitet anderen eine Freude.
Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeiten in kleinen Dingen.
Shuichi runzelte verärgert die Stirn, als er den Spruch im Glückkeks las.
Blablabla. Schön für die Leute, die solche schlauen Sprüche mal von sich gegeben hatten, was in diesem Fall Wilhelm Busch gewesen war, aber warum musste man dann solche Pseudowahrheiten in seinen Nachtisch stecken?
„Du siehst ja aber begeistert aus, muss ja wirkliche ein toller Spruch auf dem Zettelchen stehen“, meinte Sherry ironisch. Sie öffnete ebenfalls ihren Glückskeks und las laut vor: „Dein Leben wird sich bald drastisch verändern, stähle also Geist und Körper. Ahja, hört sich ja gruselig an“, sagte sie spöttisch.
Shuichi verzichtete auf eine Grimasse, die man vielleicht als Lächeln hätte durchgehen lassen können, und biss in seinen Glückskeks.
„Was zum…?!“ Er würgte und spuckte den Keks wieder aus.
„So viel zu Glück in kleinen Dingen, eher Pech, der Keks schmeckt ja widerlich.“ Mit spitzen Fingern schob Shuichi die Reste des Gebäcks beiseite. Wie auf Knopfdruck kam ein Kellner herangeeilt und entschuldigte sich mit tausenden Verbeugungen. Es hätte eine Verwechslung in der Küche gegeben und statt Zucker wäre Salz dem Teig beigemengt worden, der Fehler wäre aber erst viel zu spät bemerkt worden. Es täte ihm ja so unendlich leid. Der Mann wirkte wie ein kleiner Wackeldackel, der immer mit dem Kopf hin und herschwang, einmal, zweimal, dreimal, hundertmal, bis man ihn stoppte. Diesen Wackeldackel stoppte leider niemand sodass sich der Redeschwall des Mannes noch weiter auf die beiden Mitglieder der schwarzen Organisation ergoss, aber Shuichi hatte sich mit den Jahren die Fähigkeit antrainiert, seine Ohren auf Durchzug stellen zu können. So klappte der Mund des Mannes nur auf und zu, auf und zu. Und er schwankte vor und zurück, vor und zurück.
„Das war es dann wohl mit unserem tollen Geschäftsessen, was?“, lachte Sherry als der Kellner gegangen war. Shuichi gab nur ein unwilliges Brummen von sich, verabschiedete sich von Sherry und verließ das Restaurant, die Schultern hochgezogen und die Hände tief in den Taschen vergraben.
Es war bereits dunkel geworden und im warmen Licht der Straßenlaternen tanzten die Schneeflocken ihren kalten Reigen. Der Schneefall wurde mit jeder Minute dichter, die Shuichi sich vom Lokal in Richtung Akemis Wohnung bewegte. So sah er auch nicht den Strommast, der aus dem Nichts aufzutauchen schien. Als Shuichi und der Mast schmerzhaft Bekanntschaft machten, war es längst zu spät, noch auszuweichen. Leuchtend rotes Blut fraß sich einen Weg durch den weißen Schnee. Tropf. Tropf.
„Na super, der Glückskeksspruch scheint ja eher gegenteilige Bedeutung zu haben“, fluchte Shuichi und starrte mit leerem Blick auf das Blut, das noch vor wenigen Sekunden durch seinen Körper pulsiert war, ihn am Leben erhalten hatte und nun leblos bizarre Muster im Schnee formte. Nur die Spritzmuster ließen die Lebendigkeit erahnen, die der roten Masse einmal innegewohnt hatte.
Betäubt fasste sich Shuichi an die Nase und stolperte weiter. Er hinterließ eine Spur aus kleinen roten Tropfen in dem noch so makellosen Schnee. Tropf. Tropf.
Die Menschen, an denen er vorbeiging, hasteten weiter, nachdem sie ihn eines kurzen Blickes gewürdigt hatten.
Kein Wunder eigentlich, schließlich hat doch heutzutage niemand mehr Zeit für den anderen. Schon gar nicht in der Weihnachtszeit. Jeder ist immer auf dem Weg irgendwohin, das Ziel fest vor Augen, nach rechts oder links geguckt wird aus Zeitmangel nicht.
Minuten voller Tropfen und wirbelnden Schneeflocken später erreichte er ein unauffälliges Hochhaus. Es entsprach ganz dem Stil der schwarzen Organisation, unscheinbar und keine Aufmerksamkeit erregend.
Mit der einen Hand seine Nase haltend, schloss Shuichi die Wohnungstür im dritten Stock auf. Auch wenn die Blutung mittlerweile versiegt war, tat die geschwollene Nase noch weh. Leise vor sich hin murmelnd trat Shuichi in die Wohnung ein.
Das erste, was er wahrnahm, war Plätzchengeruch.
Von der Küche her wehte ein leichter Geruch von Plätzchen in den Eingangsbereich, der Shuichis Mundwinkel um einige Millimeter hob. Zu dem Duft gesellte sich eine warme Stimme, die leise Jingle Bells sang.
Er streifte gerade Mantel und Schuhe ab, als ihm in seiner Jackentasche ein kleiner Zettel auffiel.
Hab einen schönen Tag und genieß das Essen mit meiner Schwester stand darauf. Ein kurzer Satz, der so viel transportieren konnte. Eine Geste, die so viel bedeutete. Akemi hatte auf dem Zettel unterschrieben, wobei die Namenskanjis mit einem Herzchen umrandet waren und ein kleiner Smiley daneben gemalt war. Beim Anblick dieses Liebesbeweises wurde Shuichi warm ums Herz und er betrachtete den Zettel zärtlich.
Um den Zauber des Augenblicks nicht zu zerstören, ging Shuichi auf leisen Sohlen in die Küche. Dort stand Akemi mit von der Hitze des Backofens leicht geröteten Wangen und stach Plätzchen aus. Shuichi umarmte sie von hinten und lehnte seinen Kopf an ihren. Sie hielt im Backen inne und legte ihre Hand auf seine.
Er lächelte.
Es ist nicht wichtig, wie groß das Geschenk ist, viel mehr zählt die Geste, die Aufmerksamkeit in den kleinen Geschenken. Denn darum geht es ja eigentlich auch in der Adventszeit. Es geht nicht um den Anspruch alles zu erledigen, nicht darum zu hetzen. Von Weihnachtsfeier zum Weihnachtsgeschenke kaufen, vom Weihnachtsgeschenke kaufen zum Plätzchen backen, vom Plätzchen backen zum Dekorieren und Schmücken.
Es geht vielmehr darum, sich mehr um seine Mitmenschen kümmert, sich seiner selbst stärker bewusst werden, zur Ruhe kommen, sich zu besinnen.
Das Glück in der Aufmerksamkeit in kleinen Dingen zu finden.