Der Deutschen Bahn ist es heute doch tatsächlich gelungen, mich mit so wenig Verspätung ans Ziel zu bringen, dass ihr pünktlich eure FF des Tages erhalten könnt.
Außerdem soll hier Zyankali (der jetzt i-wie anders heißt) und sweet ran gratuliert werden. ins Ländle. Lasst euch feiern.
Blutige Spuren im Schnee
Ich hörte ganz genau in die dunkle Nacht hinein. Angestrengt und
still. Von irgendwo her spielte leise Musik. Wo die Quelle der
lieblichen Melodie war, wusste ich nicht. Und eigentlich war mir
dies auch ziemlich egal. Es gab gerade viel, viel Wichtigeres
worüber ich mir Gedanken machen sollte. Doch wenn man über
etwas Ernstes nachdenkt, ist es ganz normal, wenn man sich mit
anderen und unbedeutenden Sachen beschäftigt. Eine Art von
natürlicher Ablenkung, denke ich. Naja, ich wunderte mich zwar
immer wieder wieso nicht eine Menschenseele sich darum
scherte, dass ein kleines Mädchen ganz allein in tiefster Nacht im
verschneiten Park auf einer Bank saß und wartete. Noch dazu im
Winter. Aber wer dachte schon am Weihnachtsabend daran? Wer
hatte auch nur den leisesten Verdacht, dass jemand an
Weihnachten nicht bei seiner Familie daheim im Warmen war?
Nicht einmal ich selber würde es tun. Ich würde es auch nicht
denken. Jedoch saß ich hier schließlich. Ich musste es glauben.
Egal wie. Es war nun einmal so. Natürlich konnte ich diese
Situation ändern, aber es war ja so oder so mein eigener Wille
gewesen hier zu sein...
Ein kratziges Seufzen entfuhr meiner Kehle. Ich sah wie mein Atem
in kleinen Rauchwölkchen aufstieg. Dann verschwanden sie einfach in
der Dunkelheit. Wo blieb er nur? Ich wartete schon eine kleine
Ewigkeit. Beleidigt sah ich zu Boden. Im fahlen Licht des Mondes
sah ich meine kleinen Fußspuren. Es hatte nicht mehr geschneit,
dennoch waren sie noch zu sehen. Doch bald würde der
Neuschnee die Spuren verdecken. Sie würden einfach
verschwinden. Einfach so...
Ich konnte es kaum leugnen. Ich war stinksauer, durchgefroren
und meine warme Kleidung tat ihren Dienst auch nicht mehr. Sie
war nämlich klamm nass...
Ich rieb meine Hände aneinander um mich ein wenig zu wärmen.
Gut, das hätte ich mir auch sparen können. Aber da waren wir
wieder bei dieser grässlichen Ablenkung, die man in dieses
gewissen Situationen einfach brauchte. Zitternd schloss ich die
Augen. Wenn er nicht bald kommen würde... Nein, daran wollte ich
nicht einmal denken. Er würde kommen. Dessen war ich mir einfach
sicher. Schließlich hatte er sich darauf eingelassen...
Das war mein großes Ding... Vielleicht auch meine Letzte große
Sache. Wer wusste das schon? Ich war mir schon seit einigen
Wochen bewusst, dass ich mein Spiel auf Messers Schneide
spielte. Ich spielte zwar fair und gewiss nicht hinterhältig oder
falsch, sondern ehrlich. Aber zur Ehrlichkeit gehört besonders
eines dazu. Ein Risiko. Es war riskant. Meine Pläne waren das
häufig. Aber so versprach ich mir Erfolg. Und dieses Mal ging es
eben um mehr als nur um Erfolg. Es ging um Leben. Nicht nur mein
Leben. Für mein eigenes würde ich schon lange nicht mehr so viel
riskieren. Aber neben mir gab es ja noch Conan, Ayumi, Genta,
Mitsuhiko und noch viele andere, die ich schützen wollte! Und es
ging eben nur so.
Mit dem ersten Schnee hatte ich an Einsicht gewonnen. Es gab
nur diese Möglichkeit. Ich wollte nicht nur, dass die anderen
lebten. Ich selbst wollte dies doch auch tun, genau, damit ich sie
retten konnte! Und manchmal... da ist der Wille, das Herz, einfach
stärker als jeder Verstand. Innerlich schreit es einfach danach
etwas so Wahnsinniges zu tun. Also hatte ich ihn vor ein paar
Wochen von einer Telefonzelle aus angerufen. Seine Nummer
kannte ich natürlich in- und auswendig. Ich hatte zwar Angst
gehabt, dass er aufgrund seiner notorischen Neigung zur
Sicherheit seine Nummer geändert hatte, aber ich hatte großes
Glück gehabt. Als er abgenommen hatte, war er überrascht
gewesen. Sehr sogar. Ich denke er dachte gleich es sei eine
Falle. Wahrscheinlich hatte er sofort ans FBI gedacht. Aber ich
konnte es ihm nicht verübeln. Ich hatte ewig gebraucht um ihn vom
Gegenteil zu überzeugen.
Und dann wollte er mir wirklich glauben. Wir trafen uns ungefähr vor
zwei Wochen. Ich selber war extrem skeptisch geworden. Aber ich
wollte es einfach versuchen. Er war mir genauso misstrauisch
begegnet wie ich ihm. Aber das spielte keine Rolle. Er hatte mich
nicht getötet. Das war schon mal etwas. Dies hieß jedoch ganz
und gar nicht, dass ich ihm vertraute.
Er hatte mir Unterlagen mitgebracht. Die Unterlagen! Ich hatte nun
alles. Alles was ich für mein neues Leben brauchte, stand auf ein
paar Papieren. Ich würde wieder ich sein. Für immer. Der Gedanke
war... unglaublich toll. Aber auch beunruhigend. Wir hatten
gesprochen. Eine ganze Zeit lang. Und dann waren wir zu einem
Entschluss gekommen. Und heute war es endlich so weit....
Unser Plan war lupenrein. Einfach perfekt. Doch seine verfluchte
Unpünktlichkeit ließ mich wirklich zweifeln. Wenn er nun wirklich
nicht kommen würde... Wenn ich wieder einmal auf ihn reingefallen
war... Ich schauderte.
Doch dann hörte ich es. Der Schnee knirschte unter seinen
Schuhen. Ich sah in die Richtung aus der ich die Geräusche
vermutete. "Du bist spät.", sagte ich ruhig. Ich spürte, dass er es
war. Er musste es sein. "Ich weiß... Musste noch was erledigen.
Verzeih.“ Seine Stimme war klar und fest wie immer. Ich lächelte
leicht. Dann trat er aus den Schatten und ich sah ihn in seiner
ganzen Gestalt. Eine gewohnte, vertraute Wärme umspielte mich.
Er hatte sich nicht im Geringsten verändert. Alles war so wie
immer. Der lange schwarze Mantel, der ebenso dunkle Hut und
natürlich sein langes blondes Haar. Ich stand auf und er kam
näher auf mich zu. Ich hatte zwar immer nach oben sehen
müssen, Gin war einfach sehr groß. Doch als Kind...
"Natürlich. Das hätte ich mir ja denken können.", sagte ich tonlos,
während ich nach oben sah und nach seinen grünen Augen
suchte. Ich hatte mir damals schon vorgenommen, ihn dazu zu
bringen seinen viel zu langen Pony zu schneiden. "Na also...".
Sein typisches Grinsen kam zum Vorschein. "Und? Was ist jetzt?".
Ich musste hören was er sagte. "Alles läuft nach Plan. Wenn du
bereit bist kann es eigentlich los gehen.“ Ich nickte. Er war also
optimistisch. Das war gut...
"Ich bin bereit... Aber... bist du es auch?". Ich wollte sicher sein,
dass er es auch ist. Ich wollte nicht mehr egoistisch sein.
Besonders jetzt nicht. "Ich bin es auch.". Er meinte es ernst. Das
hörte ich sofort aus seinen Worten heraus. Ich setzte mich wieder
auf die Bank hinter mir. Ich schloss für einen Moment die Augen.
Lauschte in die Nacht hinein. Die Musik war verstummt. Es war
still. Nichts war zu hören außer Gins und meinen Atem. "Ich habe
es fertig... Wie abgemacht.", murmelte ich. Gin antwortete mir nicht.
Er schien es schon gewusst zu haben. Innerlich hatte ich mich
gefreut. Er hatte also Vertrauen in mein Können als Chemikerin.
Sehr schmeichelhaft...
"Und du bist sicher, dass wir das durchziehen? Ich meine nach...
du weißt schon...?", fragte der man mit dem kalten Blick. "Ich sagte
doch, dass ich bereit bin.". Mehr sagte ich nicht. Mehr war auch
nicht nötig. Kurz sahen wir uns an. Nur einen Augenblick. Dann
setzte Gin sich endlich neben mich. "Dann los."...
Ich steckte meine Hand in die Jackentasche meines Parkas und
kramte kurz. Schließlich zog ich das kleine Plastiktütchen hervor.
Darin war eine Kapsel. Ich sah sie an. Nicht lange, aber
eindringlich. Dann öffnete ich die Tüte und nahm die Kapsel heraus.
Ich führte sie zu meinem Mund. Ich dachte an den Schmerz der
letzten Male. Zögern durfte ich aber nicht. Dann tat ich es.
Kaum war die Kapsel meinen Rachen hinunter spürte ich schon
diesen gottverdammten Drecks- Schmerz in meiner Brust.
Quälend langsam zog sich der Schmerz in meinen Kopf, in meine
Beine, in meine Arme und überhaupt durch meinen ganzen
kleinen Körper. Ich hätte schreien können, so wie die letzten Male
als ich das APTX eingenommen hatte, aber ich wollte diese Ruhe
hier nicht stören. Dieser schmerzvolle Moment war mir heilig.
Erst nachdem sich die Schmerzen in meinem Körper einiger
maßen verzogen hatte, begann ich Gin wieder zu bemerken. Ich
keuchte. Der Qualm meines Atems kam in so kurzen Abständen...
Beinahe gruselig. Dann spürte ich die warme Decke über meinem
Körper. Meine Füße waren jedoch eisig kalt. Ich sah an mir
hinunter. Die Decke war nicht lang genug um auch meine Zehen
zu bedecken. Ich war wieder ich. Shiho.
"Alles okay mit dir?". Gins Stimme war ruhig. Wollte er die Ruhe
ebenfalls nicht stören? Ich nickte und mein Atem ging wieder recht
normal. "Ja... es ist alles... ganz gut... wow. Das... das war genial!",
murmelte ich eher zu mir selbst. Es ist wohl für jeden Erfinder ein
wunderbares Gefühl zu sehen, dass seine Erfindung geglückt war.
Gin sah auf meine zerrissenen Kindersachen. "Du hast sicher an
was anderes zum Anziehen gedacht?". Die Frage kam einfach so
nebenbei, als sei nichts Besonderes. "Natürlich. Was hast du
denn gedacht?", grinste ich amüsiert. Er grinste zurück. Dann
deutete ich unter die Bank. Gin beugte sich vor ohne mich los zu
lassen und zog meine Tüte hervor. Dort waren ein paar
Kleidungsstücke in meiner Größe drinnen. Unbeholfen zog ich
mich an. Gin half mir hier und da... Mein Gott... meine Knochen
taten ja so weh. Schließlich war ich halbwegs angezogen.
Gin half mir auf und ich schlang gleich die Decke enger um mich.
Jetzt konnte ich ihm viel besser in die Augen sehen. Ich lächelte.
"Endlich wieder halbwegs auf Augenhöhe....", scherzte ich.
Schwacher Versuch. Er lächelte. "Ich muss noch immer
runtersehen.". Ich zuckte mit den Schultern. Es tat weh. Aber es
war mir egal. Furchtbar egal. "Hmmm... Plan A Teil 1
überwunden?". Wollte ich wissen. "Überwunden und erfolgreich
ausgeführt.".
"Gut... kommen wir also gleich zu Teil 2?", fragte ich. Ich wandte
meinen Blick nicht von seinen Augen. "Wir könnten auch kurz
Pause machen...", schlug Gin vor. Ich begann zu lachen. "Und wie
stellst du die eine Pause vor?". Nun grinste Gin auch und zog mich
dann ohne Vorwarnung näher an sich ran. "Kommt das
Vergnügen nicht erst nach der Arbeit?". "Hmm... wenn wir unsren
Plan weiter verfolgen, dann haben wir ziemlich viel Arbeit,
Sherry.". Ich stimmte ihm zu. Dann berührten sich unsere Lippen.
Sacht und vorsichtig. Lange Zeit war es her seit unserem letzten
Kuss. In einer Zeit in der ich gerne gelebt hatte. Fast hatte ich
aufgegeben. Mich im Dunkeln verkrochen. Ich hatte nicht geglaubt
noch einmal ein Licht zu sehen. Besonders nicht so ein Licht...
Ich war es, die den Kuss löste. "Jetzt kommt wohl der
schmerzhaftere Teil des Planes, was?", vergewisserte ich mich.
"Schmerzhaft? Wenn das für dich schmerzhaft ist, was war dann
das eben? War es nicht schmerzhaft deinen Kinderkörper
aufzugeben?". Ich überlegte kurz. Sah auf den Boden und
erblickte wieder meine Fußspuren. Neben meinen Kinderspuren
die ich durch Ai Haibara gesetzt hatte waren nun auch Gins und
ein paar meiner >neuen< Fußabdrücke zu sehen. Ich betrachtete
sie eine Weile. "Ich weiß ja wofür es ist..."...
Gin nickte und ließ mich los. Ich trat einen Schritt zurück. Ich war
bereit. Wäre ich es nicht, dann wäre unser Plan wohl jetzt schon
gescheitert. Gin zog seine Waffe. Eine Baretta M9. Seine
Lieblingswaffe. Ich schluckte. Kurz und unauffällig. Dann richtete er
das metallische Todeswerkzeug mit ernstem Gesicht auf mich. Ich
schloss die Augen. Ich vertraute ihm. Er würde mich nicht töten.
Das glaube ich nicht. Ich lauschte noch einmal in die Stille. "Ok...
mach.", sagte ich bloß.
Er schoss. Während die Kugel meine Schulter zertrümmerte, riss
ein weiterer Schuss die Stille in zwei. Die zweite Kugel zischte an
meiner Wange vorbei. Es war nur ein Streifschuss. Trotzdem trat
aus beiden Wunden Blut aus. Mein warmer Lebenssaft färbte den
weißen Schnee rot. Den Schmerz spürte ich kaum. Mein Körper
war wohl schon zu taub vor Kälte.
Gin ließ die Waffe wieder in die Tiefen seiner Manteltasche
verschwinden während er auf mich zukam. "Alles klar?". Dies
fragte er heute schon zum zweiten Mal. Wieder nickte ich. "Ja..."...
Ich hielt mir die Schulter und lächelte Gin dabei an. "Gut...",
murmelte Gin. Auch auf seinem Gesicht spielte sich wieder ein
Grinsen auf. "Perfekt...". Ich lehnte mich an ihn. Er war warm. "Das
kann nur gut gehen. Weißt du... ich bin echt erstaunt.". Mehr als
ein leises Flüstern bekam ich nicht heraus. "Wie meinst du das?",
fragte Gin als er seinen Arm um meine Hüfte schloss. "Ich habe
nicht erwartet, dass du abhauen willst.". "Ich weiß jetzt was mir
wichtiger ist, Sherry.". Wieder grinste er. Ich küsste ihn kurz. Mehr
musste ich nicht sagen. "Wollen wir langsam gehen?". Ich nickte
und wollte nach seiner Hand greifen, doch er zog sie weg.
"Vergiss es... Du willst jetzt doch nicht etwa wirklich laufen?".
Fragend sah ich zu ihm auf. Er packte mich und hob mich hoch. Ich
war immer erstaunt wie stark er war. Hob mich hoch als wöge ich
nichts...
Gin hatte sich abgewandt. Das was von meiner Kinderkleidung
übrig geblieben war, hatte er aufgehoben und mitgenommen. Wir
mussten auf Nummer Sicher gehen. Ein letztes Mal blickte ich
über Gins Schulter. Vielleicht war unser Plan nicht der Beste.
Vielleicht würde er schief laufen. Vielleicht würden wir scheitern
und dann erwartete uns der Tod. Aber er könnte auch glatt gehen.
Ich vertraute darauf, dass Gin alle Vorkehrungen für unsere Flucht
aus der schwarzen Organisation getroffen hatte. Plötzlich überkam
es mich. Ich war nicht traurig, trotzdem löste dieser Anblick ein
merkwürdiges Empfinden in mir aus. Ich war wirklich glücklich
richtig vor der Organisation fliehen zu können. Noch dazu mit Gin.
Gin... er hatte mich nicht getötet und doch war ich heute gestorben.
Alles was von Ai Haibara übrig geblieben war, war Blut. Die
blutigen Spuren im Schnee...
by shironeko4869
Außerdem soll hier Zyankali (der jetzt i-wie anders heißt) und sweet ran gratuliert werden. ins Ländle. Lasst euch feiern.
Blutige Spuren im Schnee
Ich hörte ganz genau in die dunkle Nacht hinein. Angestrengt und
still. Von irgendwo her spielte leise Musik. Wo die Quelle der
lieblichen Melodie war, wusste ich nicht. Und eigentlich war mir
dies auch ziemlich egal. Es gab gerade viel, viel Wichtigeres
worüber ich mir Gedanken machen sollte. Doch wenn man über
etwas Ernstes nachdenkt, ist es ganz normal, wenn man sich mit
anderen und unbedeutenden Sachen beschäftigt. Eine Art von
natürlicher Ablenkung, denke ich. Naja, ich wunderte mich zwar
immer wieder wieso nicht eine Menschenseele sich darum
scherte, dass ein kleines Mädchen ganz allein in tiefster Nacht im
verschneiten Park auf einer Bank saß und wartete. Noch dazu im
Winter. Aber wer dachte schon am Weihnachtsabend daran? Wer
hatte auch nur den leisesten Verdacht, dass jemand an
Weihnachten nicht bei seiner Familie daheim im Warmen war?
Nicht einmal ich selber würde es tun. Ich würde es auch nicht
denken. Jedoch saß ich hier schließlich. Ich musste es glauben.
Egal wie. Es war nun einmal so. Natürlich konnte ich diese
Situation ändern, aber es war ja so oder so mein eigener Wille
gewesen hier zu sein...
Ein kratziges Seufzen entfuhr meiner Kehle. Ich sah wie mein Atem
in kleinen Rauchwölkchen aufstieg. Dann verschwanden sie einfach in
der Dunkelheit. Wo blieb er nur? Ich wartete schon eine kleine
Ewigkeit. Beleidigt sah ich zu Boden. Im fahlen Licht des Mondes
sah ich meine kleinen Fußspuren. Es hatte nicht mehr geschneit,
dennoch waren sie noch zu sehen. Doch bald würde der
Neuschnee die Spuren verdecken. Sie würden einfach
verschwinden. Einfach so...
Ich konnte es kaum leugnen. Ich war stinksauer, durchgefroren
und meine warme Kleidung tat ihren Dienst auch nicht mehr. Sie
war nämlich klamm nass...
Ich rieb meine Hände aneinander um mich ein wenig zu wärmen.
Gut, das hätte ich mir auch sparen können. Aber da waren wir
wieder bei dieser grässlichen Ablenkung, die man in dieses
gewissen Situationen einfach brauchte. Zitternd schloss ich die
Augen. Wenn er nicht bald kommen würde... Nein, daran wollte ich
nicht einmal denken. Er würde kommen. Dessen war ich mir einfach
sicher. Schließlich hatte er sich darauf eingelassen...
Das war mein großes Ding... Vielleicht auch meine Letzte große
Sache. Wer wusste das schon? Ich war mir schon seit einigen
Wochen bewusst, dass ich mein Spiel auf Messers Schneide
spielte. Ich spielte zwar fair und gewiss nicht hinterhältig oder
falsch, sondern ehrlich. Aber zur Ehrlichkeit gehört besonders
eines dazu. Ein Risiko. Es war riskant. Meine Pläne waren das
häufig. Aber so versprach ich mir Erfolg. Und dieses Mal ging es
eben um mehr als nur um Erfolg. Es ging um Leben. Nicht nur mein
Leben. Für mein eigenes würde ich schon lange nicht mehr so viel
riskieren. Aber neben mir gab es ja noch Conan, Ayumi, Genta,
Mitsuhiko und noch viele andere, die ich schützen wollte! Und es
ging eben nur so.
Mit dem ersten Schnee hatte ich an Einsicht gewonnen. Es gab
nur diese Möglichkeit. Ich wollte nicht nur, dass die anderen
lebten. Ich selbst wollte dies doch auch tun, genau, damit ich sie
retten konnte! Und manchmal... da ist der Wille, das Herz, einfach
stärker als jeder Verstand. Innerlich schreit es einfach danach
etwas so Wahnsinniges zu tun. Also hatte ich ihn vor ein paar
Wochen von einer Telefonzelle aus angerufen. Seine Nummer
kannte ich natürlich in- und auswendig. Ich hatte zwar Angst
gehabt, dass er aufgrund seiner notorischen Neigung zur
Sicherheit seine Nummer geändert hatte, aber ich hatte großes
Glück gehabt. Als er abgenommen hatte, war er überrascht
gewesen. Sehr sogar. Ich denke er dachte gleich es sei eine
Falle. Wahrscheinlich hatte er sofort ans FBI gedacht. Aber ich
konnte es ihm nicht verübeln. Ich hatte ewig gebraucht um ihn vom
Gegenteil zu überzeugen.
Und dann wollte er mir wirklich glauben. Wir trafen uns ungefähr vor
zwei Wochen. Ich selber war extrem skeptisch geworden. Aber ich
wollte es einfach versuchen. Er war mir genauso misstrauisch
begegnet wie ich ihm. Aber das spielte keine Rolle. Er hatte mich
nicht getötet. Das war schon mal etwas. Dies hieß jedoch ganz
und gar nicht, dass ich ihm vertraute.
Er hatte mir Unterlagen mitgebracht. Die Unterlagen! Ich hatte nun
alles. Alles was ich für mein neues Leben brauchte, stand auf ein
paar Papieren. Ich würde wieder ich sein. Für immer. Der Gedanke
war... unglaublich toll. Aber auch beunruhigend. Wir hatten
gesprochen. Eine ganze Zeit lang. Und dann waren wir zu einem
Entschluss gekommen. Und heute war es endlich so weit....
Unser Plan war lupenrein. Einfach perfekt. Doch seine verfluchte
Unpünktlichkeit ließ mich wirklich zweifeln. Wenn er nun wirklich
nicht kommen würde... Wenn ich wieder einmal auf ihn reingefallen
war... Ich schauderte.
Doch dann hörte ich es. Der Schnee knirschte unter seinen
Schuhen. Ich sah in die Richtung aus der ich die Geräusche
vermutete. "Du bist spät.", sagte ich ruhig. Ich spürte, dass er es
war. Er musste es sein. "Ich weiß... Musste noch was erledigen.
Verzeih.“ Seine Stimme war klar und fest wie immer. Ich lächelte
leicht. Dann trat er aus den Schatten und ich sah ihn in seiner
ganzen Gestalt. Eine gewohnte, vertraute Wärme umspielte mich.
Er hatte sich nicht im Geringsten verändert. Alles war so wie
immer. Der lange schwarze Mantel, der ebenso dunkle Hut und
natürlich sein langes blondes Haar. Ich stand auf und er kam
näher auf mich zu. Ich hatte zwar immer nach oben sehen
müssen, Gin war einfach sehr groß. Doch als Kind...
"Natürlich. Das hätte ich mir ja denken können.", sagte ich tonlos,
während ich nach oben sah und nach seinen grünen Augen
suchte. Ich hatte mir damals schon vorgenommen, ihn dazu zu
bringen seinen viel zu langen Pony zu schneiden. "Na also...".
Sein typisches Grinsen kam zum Vorschein. "Und? Was ist jetzt?".
Ich musste hören was er sagte. "Alles läuft nach Plan. Wenn du
bereit bist kann es eigentlich los gehen.“ Ich nickte. Er war also
optimistisch. Das war gut...
"Ich bin bereit... Aber... bist du es auch?". Ich wollte sicher sein,
dass er es auch ist. Ich wollte nicht mehr egoistisch sein.
Besonders jetzt nicht. "Ich bin es auch.". Er meinte es ernst. Das
hörte ich sofort aus seinen Worten heraus. Ich setzte mich wieder
auf die Bank hinter mir. Ich schloss für einen Moment die Augen.
Lauschte in die Nacht hinein. Die Musik war verstummt. Es war
still. Nichts war zu hören außer Gins und meinen Atem. "Ich habe
es fertig... Wie abgemacht.", murmelte ich. Gin antwortete mir nicht.
Er schien es schon gewusst zu haben. Innerlich hatte ich mich
gefreut. Er hatte also Vertrauen in mein Können als Chemikerin.
Sehr schmeichelhaft...
"Und du bist sicher, dass wir das durchziehen? Ich meine nach...
du weißt schon...?", fragte der man mit dem kalten Blick. "Ich sagte
doch, dass ich bereit bin.". Mehr sagte ich nicht. Mehr war auch
nicht nötig. Kurz sahen wir uns an. Nur einen Augenblick. Dann
setzte Gin sich endlich neben mich. "Dann los."...
Ich steckte meine Hand in die Jackentasche meines Parkas und
kramte kurz. Schließlich zog ich das kleine Plastiktütchen hervor.
Darin war eine Kapsel. Ich sah sie an. Nicht lange, aber
eindringlich. Dann öffnete ich die Tüte und nahm die Kapsel heraus.
Ich führte sie zu meinem Mund. Ich dachte an den Schmerz der
letzten Male. Zögern durfte ich aber nicht. Dann tat ich es.
Kaum war die Kapsel meinen Rachen hinunter spürte ich schon
diesen gottverdammten Drecks- Schmerz in meiner Brust.
Quälend langsam zog sich der Schmerz in meinen Kopf, in meine
Beine, in meine Arme und überhaupt durch meinen ganzen
kleinen Körper. Ich hätte schreien können, so wie die letzten Male
als ich das APTX eingenommen hatte, aber ich wollte diese Ruhe
hier nicht stören. Dieser schmerzvolle Moment war mir heilig.
Erst nachdem sich die Schmerzen in meinem Körper einiger
maßen verzogen hatte, begann ich Gin wieder zu bemerken. Ich
keuchte. Der Qualm meines Atems kam in so kurzen Abständen...
Beinahe gruselig. Dann spürte ich die warme Decke über meinem
Körper. Meine Füße waren jedoch eisig kalt. Ich sah an mir
hinunter. Die Decke war nicht lang genug um auch meine Zehen
zu bedecken. Ich war wieder ich. Shiho.
"Alles okay mit dir?". Gins Stimme war ruhig. Wollte er die Ruhe
ebenfalls nicht stören? Ich nickte und mein Atem ging wieder recht
normal. "Ja... es ist alles... ganz gut... wow. Das... das war genial!",
murmelte ich eher zu mir selbst. Es ist wohl für jeden Erfinder ein
wunderbares Gefühl zu sehen, dass seine Erfindung geglückt war.
Gin sah auf meine zerrissenen Kindersachen. "Du hast sicher an
was anderes zum Anziehen gedacht?". Die Frage kam einfach so
nebenbei, als sei nichts Besonderes. "Natürlich. Was hast du
denn gedacht?", grinste ich amüsiert. Er grinste zurück. Dann
deutete ich unter die Bank. Gin beugte sich vor ohne mich los zu
lassen und zog meine Tüte hervor. Dort waren ein paar
Kleidungsstücke in meiner Größe drinnen. Unbeholfen zog ich
mich an. Gin half mir hier und da... Mein Gott... meine Knochen
taten ja so weh. Schließlich war ich halbwegs angezogen.
Gin half mir auf und ich schlang gleich die Decke enger um mich.
Jetzt konnte ich ihm viel besser in die Augen sehen. Ich lächelte.
"Endlich wieder halbwegs auf Augenhöhe....", scherzte ich.
Schwacher Versuch. Er lächelte. "Ich muss noch immer
runtersehen.". Ich zuckte mit den Schultern. Es tat weh. Aber es
war mir egal. Furchtbar egal. "Hmmm... Plan A Teil 1
überwunden?". Wollte ich wissen. "Überwunden und erfolgreich
ausgeführt.".
"Gut... kommen wir also gleich zu Teil 2?", fragte ich. Ich wandte
meinen Blick nicht von seinen Augen. "Wir könnten auch kurz
Pause machen...", schlug Gin vor. Ich begann zu lachen. "Und wie
stellst du die eine Pause vor?". Nun grinste Gin auch und zog mich
dann ohne Vorwarnung näher an sich ran. "Kommt das
Vergnügen nicht erst nach der Arbeit?". "Hmm... wenn wir unsren
Plan weiter verfolgen, dann haben wir ziemlich viel Arbeit,
Sherry.". Ich stimmte ihm zu. Dann berührten sich unsere Lippen.
Sacht und vorsichtig. Lange Zeit war es her seit unserem letzten
Kuss. In einer Zeit in der ich gerne gelebt hatte. Fast hatte ich
aufgegeben. Mich im Dunkeln verkrochen. Ich hatte nicht geglaubt
noch einmal ein Licht zu sehen. Besonders nicht so ein Licht...
Ich war es, die den Kuss löste. "Jetzt kommt wohl der
schmerzhaftere Teil des Planes, was?", vergewisserte ich mich.
"Schmerzhaft? Wenn das für dich schmerzhaft ist, was war dann
das eben? War es nicht schmerzhaft deinen Kinderkörper
aufzugeben?". Ich überlegte kurz. Sah auf den Boden und
erblickte wieder meine Fußspuren. Neben meinen Kinderspuren
die ich durch Ai Haibara gesetzt hatte waren nun auch Gins und
ein paar meiner >neuen< Fußabdrücke zu sehen. Ich betrachtete
sie eine Weile. "Ich weiß ja wofür es ist..."...
Gin nickte und ließ mich los. Ich trat einen Schritt zurück. Ich war
bereit. Wäre ich es nicht, dann wäre unser Plan wohl jetzt schon
gescheitert. Gin zog seine Waffe. Eine Baretta M9. Seine
Lieblingswaffe. Ich schluckte. Kurz und unauffällig. Dann richtete er
das metallische Todeswerkzeug mit ernstem Gesicht auf mich. Ich
schloss die Augen. Ich vertraute ihm. Er würde mich nicht töten.
Das glaube ich nicht. Ich lauschte noch einmal in die Stille. "Ok...
mach.", sagte ich bloß.
Er schoss. Während die Kugel meine Schulter zertrümmerte, riss
ein weiterer Schuss die Stille in zwei. Die zweite Kugel zischte an
meiner Wange vorbei. Es war nur ein Streifschuss. Trotzdem trat
aus beiden Wunden Blut aus. Mein warmer Lebenssaft färbte den
weißen Schnee rot. Den Schmerz spürte ich kaum. Mein Körper
war wohl schon zu taub vor Kälte.
Gin ließ die Waffe wieder in die Tiefen seiner Manteltasche
verschwinden während er auf mich zukam. "Alles klar?". Dies
fragte er heute schon zum zweiten Mal. Wieder nickte ich. "Ja..."...
Ich hielt mir die Schulter und lächelte Gin dabei an. "Gut...",
murmelte Gin. Auch auf seinem Gesicht spielte sich wieder ein
Grinsen auf. "Perfekt...". Ich lehnte mich an ihn. Er war warm. "Das
kann nur gut gehen. Weißt du... ich bin echt erstaunt.". Mehr als
ein leises Flüstern bekam ich nicht heraus. "Wie meinst du das?",
fragte Gin als er seinen Arm um meine Hüfte schloss. "Ich habe
nicht erwartet, dass du abhauen willst.". "Ich weiß jetzt was mir
wichtiger ist, Sherry.". Wieder grinste er. Ich küsste ihn kurz. Mehr
musste ich nicht sagen. "Wollen wir langsam gehen?". Ich nickte
und wollte nach seiner Hand greifen, doch er zog sie weg.
"Vergiss es... Du willst jetzt doch nicht etwa wirklich laufen?".
Fragend sah ich zu ihm auf. Er packte mich und hob mich hoch. Ich
war immer erstaunt wie stark er war. Hob mich hoch als wöge ich
nichts...
Gin hatte sich abgewandt. Das was von meiner Kinderkleidung
übrig geblieben war, hatte er aufgehoben und mitgenommen. Wir
mussten auf Nummer Sicher gehen. Ein letztes Mal blickte ich
über Gins Schulter. Vielleicht war unser Plan nicht der Beste.
Vielleicht würde er schief laufen. Vielleicht würden wir scheitern
und dann erwartete uns der Tod. Aber er könnte auch glatt gehen.
Ich vertraute darauf, dass Gin alle Vorkehrungen für unsere Flucht
aus der schwarzen Organisation getroffen hatte. Plötzlich überkam
es mich. Ich war nicht traurig, trotzdem löste dieser Anblick ein
merkwürdiges Empfinden in mir aus. Ich war wirklich glücklich
richtig vor der Organisation fliehen zu können. Noch dazu mit Gin.
Gin... er hatte mich nicht getötet und doch war ich heute gestorben.
Alles was von Ai Haibara übrig geblieben war, war Blut. Die
blutigen Spuren im Schnee...
by shironeko4869
Passionierter Teetrinker , Waschbärfreund und Vorstandsvorsitzender des „Es-lebe-Kogoro"-Clubs
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Mitglied in den folgenden Clubs:
名 "Wir-lieben-Kaito-Kid" Club 探 "Subaru ist der coolste" Club 偵 "mysterious girl" - Der-Ai-Haibara-Fanclub コSera - Die, die sich mit dem Geheimnisvollen schmückenナ"x-beliebiger-Verdächtiger-in-egal-welchem-Mordfall-Club"ン
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