So.....die letzten 4 Türchen bis Weihnachten!
Heute gibt es schon das Türchen Nr. 21. Diesmal gestaltet von Alja. Viel Freude damit.
..........
Fortitude – Das Glück im Lächeln eines geliebten Menschen
Eine gute Tat ist eine solche, die ein Lächeln der Freude auf das Antlitz eines anderen zaubert. – Muhammed
8.15 Uhr. Es klingelte. Er war püntklich auf die Minute.
„Ah, Subaru-kun, schön, dass du schon da bist!“ Es dauerte ein paar Sekunden, bis der Professor mit Subaru im Schlepptau in der Küche angekommen war. Der Student hatte seine Jacke offensichtlich bereits im Flur abgelegt und stellte nun eine große Einkaufstüte auf dem Küchentresen ab. „Guten Morgen, Ai-kun“, wandte er sich dabei leicht gebeugt dem Mädchen zu, welches ihn kritisch musterte. „Morgen“, erwiderte sie knapp, rollte ihre Ärmel hoch und trat auf den kleinen Fußschemel am Waschbecken, um ihre Hände zu waschen.
„Also, es bleibt alles, wie geplant“, ergriff nun Professor Agasa wieder das Wort. Er hatte die Küche kurz verlassen, um seinen Mantel und einen Schal zu holen, den er nun um seinen Hals wickelte. „Ich gehe jetzt zu meinem Kunden und sorge dafür, dass die automatische Garagen-Streich-Maschine nicht mehr die Farbe durch die Gegend spuckt“, ein strenger Blick Ais ließ ihn zusammenzucken, „Ja Ai-kun, ich weiß, für die nächsten zwei Monate keine neuen Erfindungen mehr!“ Der Professor räusperte sich, legte seinen Mantel an und schloss den Reißverschluss ohne Probleme über seinem Bauch. Überraschung zeichnete sich deutlich auf seinem Gesicht ab. „Sie haben an Bauchumfang abgenommen, Professor!“, stellte Ai ebenfalls mit einem suffisanten Grinsen fest und verschränkte ihre Arme dabei, „da sehen Sie endlich, wieso mein Diätplan für Sie sinnvoll war! Jetzt müssen Sie sich nicht mehr in Ihrem Lieblingsmantel herumquetschen.“
Ohne irgendwelche Argumente gegen Ai aufbringen zu können, seufzte der Professor geschlagen. „Aber ich bekomme doch trotzdem ein paar Weihnachtsplätzchen, oder?“
Ais linkes Auge begann zu zucken und spätestens jetzt schien sich Subaru nicht mehr weiter zurückhalten zu können, denn ein kurzes, tiefes Lachen war aus seiner Richtung zu vernehmen. „Eine Ration bekommen Sie. Wenn Ihre Blutzuckerwerte stimmen, können wir darüber reden, ob Sie noch ein paar extra bekommen.“ Augenblicklich erhellte sich das Gesicht des alten Erfinders und mit neuem Mute wandte er sich Subaru zu. „Wie bereits gesagt, ich gehe zu meinem Kunden. Das wird wohl einige Stunden in Anspruch nehmen. Den Kindern habe ich gesagt, dass ich sie ab 15 Uhr abholen komme, ihr solltet bis dahin also das Wohnzimmer gedeckt und die meisten Plätzchen gebacken haben. Was das Essen betrifft, kann ich mich vollkommen auf dich verlassen?“
Agasas fragenden Blick beantwortete Subaru sofort mit einem Nicken und Lächeln. „Aber natürlich, Herr Professor. Den Truthahn und alle benötigten Zutaten habe ich mitgebracht.“
„Sehr schön!“, der Professor klatschte sich in die Hände und griff nun nach dem kleinen Werkzeugkasten, der im Flur in der Nähe der Küche stand. „Dann kann ich das Haus euch überlassen. Die Kästen mit der Weihnachtsdekoration stehen im Wohnzimmer bereit. Über alles andere wird dir Ai-kun Bescheid geben. Bis später und viel Glück!“
Schnell schlupfte der ergraute Professor in seine schweren Stiefel und trat hinaus ins Freie; Ai sah, wie der Schnee nur so um seinen Kopf peitschte, bis die Tür schließlich wieder ins Schloss fiel.
„Wir sollten eher ihm Glück wünschen“, bemerkte Ai trocken, als sie sich eine kleine rosa Schürze umband. „Die Rezepte liegen auf dem Esstisch“, erklärte das kleine, rothaarige Mädchen nun ihrem Helfer, während sie mit einer Verrenkung die Schürze um ihren Hals befestigte, „geplant habe ich Mürbeteigplätzchen, Zimtsterne, Vanillekipferl und einen Christmas Cake...wie lang braucht denn der Truthahn im Ofen?“
Subaru hatte inzwischen die zweite Schürze, die fein säuberlich auf dem Esstisch für ihn bereitlag, ergriffen und band sie seinerseits um seine Hüfte, „Es kommt darauf an, wann ihr essen wollt. Der Truthahn sollte spätestens vier Stunden vor dem Essen in den Ofen geschoben werden.“
Ai legte in Gedanken versunken ihre Hand an ihr Kinn und überlegte. „Wir wollten erstmal Kuchen, Plätzchen und Tee servieren, wenn die Kinder kommen. Das Essen war für etwa 17 Uhr geplant. Wenn wir also den Truthahn um 13 Uhr reinstellen-“ „Das reicht definitiv“, stimmte Subaru ihr zu, der nun alle Zutaten aus der Tüte fischte und den Truthahn in den Kühlschrank legte, „wir sollten also genug Zeit für alle anderen Gebäckstücke und das Dekorieren haben. Was brauchen wir denn? Butter, Eier..?“
Schnell war die überraschend kleine Küche des Hauses vollgestellt mit Backzutaten, Schüsseln und herumfliegenden Rezeptblättern. Subaru kümmerte sich um eines der Plätzchenrezepte, Ai studierte unterdessen intensiv das Rezept des Christmas Cake, der Mixer fest in ihrer Hand.
„Sagen Sie“, ertönte nun Ais helle Stimme im Raum, „wie kommt es eigentlich, dass Sie so gut über Weihnachten Bescheid wissen? Ich meine, hier in Japan wird ja nur das sehr kommerzielle Weihnachten gefeiert. Ohne Hintergrundgeschichte.“
Hätte sich das geschrumpfte Mädchen zu ihrem Nachbarn umgedreht, hätte sie das verschmitzte Grinsen auf seinem Gesicht beobachten können,
„Ich habe während des Studiums ein Auslandsjahr in Amerika absolviert“, erwiderte Subaru, während er sich mit einem fragenden Blick in der Küche umsah. „Dort habe ich dann das eine oder andere Gericht aus der Weihnachtszeit aufgeschnappt. - Wo ist denn nur das - Ah!“, entfuhr es ihm, als er endlich das Nudelholz fand und den Teig ausrollte. „Es ist definitiv eine ganze andere Erfahrung, Weihnachten in einem christlichen Land zu feiern. Und selbst wenn wir den religiösen Hintergrund nicht haben, wollte ich den Kindern doch etwas vom christlichen Weihnachtsfest mitgeben.“
Ai hatte mittlerweile eine kleine Springform mit Backpapier ausgelegt und füllte nun vorsichtig den zitronengelben Teig hinein, darauf bedacht, ihn gleichmäßig zu verteilen. „Wie sollen wir denn ohne religiösen Hintergrund eines der Hochfeste der Christen nachvollziehen können? Gerade wir Kinder?“ Sie hatte den Kuchen im Backofen geparkt und drehte sich nun um 180°, um dem Studenten bei den Keksteigen zu helfen. Um an die Theke zu reichen, musste sie wieder ihren Schemel bemühen und während sie diesen bereitstellte, versuchte sie sich an das zu erinnern, was sie in Amerika über das Weihnachtsfest gelernt hatte. In ihrer Erinnerung gab es jedoch nichts herauszukramen; sie hatte nie Freunde in den Staaten und somit keinen, der sie zu einer der Festlichkeiten einladen würde. Ihr Wissen über Weihnachten erstreckte sich lediglich über das, was in der Werbung darüber verbreitet wurde: Jeder Amerikaner brauchte einen Weihnachtsbaum, Unmengen an Weihnachtsschmuck und natürlich jede Menge Geschenke für seine Freunde. Sie wollte nur einer einzigen Person Geschenke machen - ihrer Schwester Akemi. Und das konnte sie auch zu den traditionellen japanischen Festen, von denen beide Schwestern mehr verstanden.
„Die Christen feiern an diesem Tag die Geburt Gottes Sohns“, erklärte Subaru ihr nun und reichte ihr den Zucker hinüber, welchen sie sofort mit Butter verrührte, ein wachsames Auge auf der Eieruhr und dem Backofen, in dem der Christmas Cake langsam aber sicher wuchs. „Er war ein Mensch, der sich für andere Menschen eingesetzt hat, für den jeder Mensch gleich viel wert war. Er verbreitete die Kunde über die Nächstenliebe. Und ich denke, das die Kinder nicht genug über Nächstenliebe erfahren können, oder?“
„Hmpf“, lautete die kurze Antwort ders rotblonden Mädchens, welches nun ihrerseits nach dem Nudelholz griff, um den Teig auszurollen. „Braucht es denn unbedingt diesen Tag einmal im Jahr, damit die Menschen sich daran erinnern?“ Ai legte das Nudelholz zur Seite und schnappte sich blind einen der Plätzchenausstecher, die sie sich von den Kindern geliehen hatte. Als sie jedoch sah, welches Tier sie herausgezogen hatte, konnte sie lediglich mit ihren azurblauen Augen rollen. Wo zum Teufel hatte Genta einen Ausstecher in Form einesAals gefunden??
„Ich meine: Die Menschheit ist zunehmend auf sich selbst fixiert. Ist es nicht heuchlerisch, einen Tag im Jahr so zu tun, als sei man am Schicksal anderer Menschen interessiert, um sich die anderen 364 Tage im Jahr wieder mit geschlossenen Augen an ihnen vorbeizuschleichen?“
Subaru blickte von seinem vollgepackten Backblech auf; ihre Augen trafen sich. „Lass es mich so formulieren“, begann der Student nun und legte für einen Moment eine Pause ein. „Du hast Recht. Es ist heuchlerisch von den Menschen, sich lediglich einmal im Jahr für andere Menschen zu interessieren. Mir ist es dennoch lieber, wenn die Menschen sich wenigstens an einem Tag im Jahr für andere interessieren, als wenn sie es nie machen würden.“
Nach getaner Arbeit, zumindest für die nächsten Stunden, trat Subaru ans Waschbecken heran und öffnete den Hahn, um sich die Hände zu reinigen. Sie hatten inzwischen alle Teige vorbereitet und mussten die fertig bestückten Blecke nur noch in den Backofen schieben. „Manchmal muss man kleine Schritte machen, um ein großes Ziel zu erreichen. Den Kindern die Kunde der Nächstenliebe näher zu bringen ist einer dieser Schritte, den wir gehen müssen.“
Sorgfältig trocknete er seine Hände an dem altmodischen, blümchengemusterten Handtuch ab.
„Sind sie immer so selbstlos?“, Ais rechte Augenbraue schoss in die Höhe und sie blickte ihr gegenüber eindringlich an, bevor auch sie ihre Hände wusch. „Wenn es jetzt nicht um die Kinder ginge – wenn es Erwachsene wären: Würden Sie die ganze Prozedur immer noch durchziehen?“
Die Worte Ais erzeugten erneut ein Lächeln auf Subarus Gesicht. „Es geht nicht darum, wem man eine Freude macht. Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen. Senioren. Die Freude ist nicht mehr oder weniger wert, wenn sie jemand anders zu Teil wird. Das Einzige, das zählen sollte, ist, dass man einen Menschen zum Lächeln bringen konnte. Die aufrichtige Freude und das Lächeln einer Person können viel mehr wert sein als Geld oder Geschenke. Und dafür lohnt sich die Mühe.“
***
Oh, sie hatte sich selbst übertroffen. Das Wohnzimmer sah unglaublich aus.
Gut, zugegeben, Subaru hatte ebenfalls einen großen Anteil des Lobes verdient. In ihrer geschrumpfen Form war es ihr schließlich nicht möglich gewesen, mehr als ein Drittel der Tanne, welche direkt vor dem großen Fenster stand, zu schmücken. Nun leuchtete sie dank einer langen, bunten Lichterkette in allen erdenklichen Farben des Regenbogens, welche von den bunten, verschieden großen Kugeln am Baum reflektiert wurden. Sie hatten aber nicht nur einen Baum aufgestellt: Am Kamin hingen nun vier Socken, eine für jeden Detektiven (außer Conan, der sich vehement dafür eingesetzt hatte, den Tag bei den Moris zu verbringen), die Ran vor einiger Zeit extra mit den Namen bestickt und mit einigen Süßigkeiten befüllt hatte.
Der kleine Cafétisch war dem Esstisch aus der Küche gewichen und mit einer großen, mit Tannenzweigen bedruckten Tischdecke und festlichem Geschirr gedeckt. Selbst die Essstühle waren durch ihre Stuhlhussen in Form von Weihnachtsmützen festlich geschmückt.
Auf jeder Oberfläche und in jeder Ecke des Raumes fand sich ein kleiner Dekogegenstand: Hier ein kleiner Weihnachtsmann, dort ein Schneemann, woanders ein Tannenzweig mit einer daran baumelnden Weihnachtskugel.
Subaru und Ai hatten sich beide dagegen entschieden, die vom Professor eigens besorgten Mistelzweige aufzuhängen; sie wollten weder Mitsuhiko noch Genta eine Steilvorlage bieten, ihre Hormone ein halbes Jahrzehnt zu früh erwecken zu wollen.
Den Feinschliff ihrer Dekoration bildete der Sprühschnee, den sie in den Ecken der Fenster verteilt hatten und der somit eine winterliche Stimmung in dem sonst wohlig warmen Raum verbreitete.
Ja, so, wie es hier aussah, konnten die Kinder ruhig kommen.
Sie hatten im Zuge der Dekorationsarbeiten kaum Worte gewechselt, die meiste Zeit lief im Hintergrund eine J-Rock CD (denn es graute beiden jetzt schon davor, den restlichen Abend nur noch Weihnachtslieder hören zu müssen). Nun, nachdem die Laufzeit der CD um war, hatte sich eine Stille im Raum ausgebreitet, in der man eine Stecknadel zum Boden hätte fallen hören können. Diese Stille war auch der Grund für das plötzliche Zusammenzucken Ais, als sie Subarus Stimme vernahm.
„Es wird Zeit. Wir sollten den Truthahn und die Beilagen langsam vorbereiten.“
***
„Ich frage mich, wie das Haus des Professors von innen aussieht!“ Die aufgeregten Stimmen der Kinder drangen von außen in den Flur hinein. Schnell stellte Ai die Plätzchen auf den Esstisch und Subaru brachte den festlich dekorierten Christmas Cake ins Wohnzimmer, als das Kinderlachen nun aus dem Flur zukommen schien. Sie hörten,wie die Kinder aufgeregt ihre Jacken und Mäntel aufhingen, ungeduldig ihre Schuhe auszogen und sofort ins Wohnzimmer getrampelt kamen.
Und in dem Moment, in dem die Kinder das Winterwunderland des Wohnzimmers entdeckten, ihre Augen sich weiteten und ihre Münder alle erst ein überraschtes „o“ formten und sich dann in breite Lächeln formten, welche die strahlend weißen Zähne der Kinder sichtbar machten, stahl sich Subarus linke Hand auf Ais linke Schulter. Die kleine Geste geschah von den Gästen unbeobachtet, denn sie stürmten nun in alle Ecken des Zimmers, sogen die nach Zimt duftende Luft ein und bestaunten jeden einzelnen Winkel, der dekoriert war.
Aber Ai wusste, was Subaru mit der Geste ausdrücken wollte, und tätschelte ihrerseits seine Hand augenrollend. Ja, sie hatten eine gute Arbeit geleistet. Die Kinder waren begeistert. Er hatte Recht: Das Lächeln dieser drei Kinder war den ganzen Stress wert gewesen.
Beinahe von den Anwesenden vergessen kam auch endlich der Professor tief schnaufend im Wohnzimmer an und hielt der verdutzten Ai ein Blutzuckermessgerät vor die Nase.
„Sieh nur, Ai-kun! 90 mg/dl! Besser kann mein Blutzucker vor dem Essen gar nicht mehr sein! Damit habe ich mir doch eine Extra-Portion Plätzchen verdient, oder?“
Das junge Mädchen blickte kurz nach oben; Subaru spiegelte ihre Bewegung und blickte auf sie herab. Als hätten sie sich abgesprochen, schauten sie nun wieder den Professor an und nickten; es dauerte keine Sekunde, bis der Professor mit einem breiten Grinsen seinen Teller bereits voller Kekse geladen hatte.
Die fleißigen Bäcker lachten nur und setzten sich ihrerseits an den Tisch, an den nun auch endlich die Kinder herantraten. Während Ai den Wintertee in das beste Geschirr des Professors goß und Subaru den Christmas Cake auf die ihm entgegengestreckten Teller verteilte, stellte sich eine wohlige Wärme im Herzen der jungen Wissenschaftlerin ein. Sie ließ ihren Blick über die Tafel wandern: Genta und Professor Agasa vergruben ihre Gesichter beinahe in ihren Tellern, Mitsuhiko schien gefesselt vom reich geschmückten Baum und Ayumi schlürfte glücklich den warmen, würzigen Tee. Ais Blick fiel nun wieder auf Subaru. Er schien ebenfalls ausgeglichen und seine Lippen trugen ein breites Lächeln, als er so wie sie seine Mitmenschen beobachtete.
Er hatte Recht. Die wochenlange Planung, das frühe Aufstehen und der Stress waren es wert gewesen. Dank dieser Anstrengungen durfte sie nun das Lächeln von fünf Personen, die ihr ans Herz gewachsen waren, genießen.
Heute gibt es schon das Türchen Nr. 21. Diesmal gestaltet von Alja. Viel Freude damit.
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Fortitude – Das Glück im Lächeln eines geliebten Menschen
Eine gute Tat ist eine solche, die ein Lächeln der Freude auf das Antlitz eines anderen zaubert. – Muhammed
8.15 Uhr. Es klingelte. Er war püntklich auf die Minute.
„Ah, Subaru-kun, schön, dass du schon da bist!“ Es dauerte ein paar Sekunden, bis der Professor mit Subaru im Schlepptau in der Küche angekommen war. Der Student hatte seine Jacke offensichtlich bereits im Flur abgelegt und stellte nun eine große Einkaufstüte auf dem Küchentresen ab. „Guten Morgen, Ai-kun“, wandte er sich dabei leicht gebeugt dem Mädchen zu, welches ihn kritisch musterte. „Morgen“, erwiderte sie knapp, rollte ihre Ärmel hoch und trat auf den kleinen Fußschemel am Waschbecken, um ihre Hände zu waschen.
„Also, es bleibt alles, wie geplant“, ergriff nun Professor Agasa wieder das Wort. Er hatte die Küche kurz verlassen, um seinen Mantel und einen Schal zu holen, den er nun um seinen Hals wickelte. „Ich gehe jetzt zu meinem Kunden und sorge dafür, dass die automatische Garagen-Streich-Maschine nicht mehr die Farbe durch die Gegend spuckt“, ein strenger Blick Ais ließ ihn zusammenzucken, „Ja Ai-kun, ich weiß, für die nächsten zwei Monate keine neuen Erfindungen mehr!“ Der Professor räusperte sich, legte seinen Mantel an und schloss den Reißverschluss ohne Probleme über seinem Bauch. Überraschung zeichnete sich deutlich auf seinem Gesicht ab. „Sie haben an Bauchumfang abgenommen, Professor!“, stellte Ai ebenfalls mit einem suffisanten Grinsen fest und verschränkte ihre Arme dabei, „da sehen Sie endlich, wieso mein Diätplan für Sie sinnvoll war! Jetzt müssen Sie sich nicht mehr in Ihrem Lieblingsmantel herumquetschen.“
Ohne irgendwelche Argumente gegen Ai aufbringen zu können, seufzte der Professor geschlagen. „Aber ich bekomme doch trotzdem ein paar Weihnachtsplätzchen, oder?“
Ais linkes Auge begann zu zucken und spätestens jetzt schien sich Subaru nicht mehr weiter zurückhalten zu können, denn ein kurzes, tiefes Lachen war aus seiner Richtung zu vernehmen. „Eine Ration bekommen Sie. Wenn Ihre Blutzuckerwerte stimmen, können wir darüber reden, ob Sie noch ein paar extra bekommen.“ Augenblicklich erhellte sich das Gesicht des alten Erfinders und mit neuem Mute wandte er sich Subaru zu. „Wie bereits gesagt, ich gehe zu meinem Kunden. Das wird wohl einige Stunden in Anspruch nehmen. Den Kindern habe ich gesagt, dass ich sie ab 15 Uhr abholen komme, ihr solltet bis dahin also das Wohnzimmer gedeckt und die meisten Plätzchen gebacken haben. Was das Essen betrifft, kann ich mich vollkommen auf dich verlassen?“
Agasas fragenden Blick beantwortete Subaru sofort mit einem Nicken und Lächeln. „Aber natürlich, Herr Professor. Den Truthahn und alle benötigten Zutaten habe ich mitgebracht.“
„Sehr schön!“, der Professor klatschte sich in die Hände und griff nun nach dem kleinen Werkzeugkasten, der im Flur in der Nähe der Küche stand. „Dann kann ich das Haus euch überlassen. Die Kästen mit der Weihnachtsdekoration stehen im Wohnzimmer bereit. Über alles andere wird dir Ai-kun Bescheid geben. Bis später und viel Glück!“
Schnell schlupfte der ergraute Professor in seine schweren Stiefel und trat hinaus ins Freie; Ai sah, wie der Schnee nur so um seinen Kopf peitschte, bis die Tür schließlich wieder ins Schloss fiel.
„Wir sollten eher ihm Glück wünschen“, bemerkte Ai trocken, als sie sich eine kleine rosa Schürze umband. „Die Rezepte liegen auf dem Esstisch“, erklärte das kleine, rothaarige Mädchen nun ihrem Helfer, während sie mit einer Verrenkung die Schürze um ihren Hals befestigte, „geplant habe ich Mürbeteigplätzchen, Zimtsterne, Vanillekipferl und einen Christmas Cake...wie lang braucht denn der Truthahn im Ofen?“
Subaru hatte inzwischen die zweite Schürze, die fein säuberlich auf dem Esstisch für ihn bereitlag, ergriffen und band sie seinerseits um seine Hüfte, „Es kommt darauf an, wann ihr essen wollt. Der Truthahn sollte spätestens vier Stunden vor dem Essen in den Ofen geschoben werden.“
Ai legte in Gedanken versunken ihre Hand an ihr Kinn und überlegte. „Wir wollten erstmal Kuchen, Plätzchen und Tee servieren, wenn die Kinder kommen. Das Essen war für etwa 17 Uhr geplant. Wenn wir also den Truthahn um 13 Uhr reinstellen-“ „Das reicht definitiv“, stimmte Subaru ihr zu, der nun alle Zutaten aus der Tüte fischte und den Truthahn in den Kühlschrank legte, „wir sollten also genug Zeit für alle anderen Gebäckstücke und das Dekorieren haben. Was brauchen wir denn? Butter, Eier..?“
Schnell war die überraschend kleine Küche des Hauses vollgestellt mit Backzutaten, Schüsseln und herumfliegenden Rezeptblättern. Subaru kümmerte sich um eines der Plätzchenrezepte, Ai studierte unterdessen intensiv das Rezept des Christmas Cake, der Mixer fest in ihrer Hand.
„Sagen Sie“, ertönte nun Ais helle Stimme im Raum, „wie kommt es eigentlich, dass Sie so gut über Weihnachten Bescheid wissen? Ich meine, hier in Japan wird ja nur das sehr kommerzielle Weihnachten gefeiert. Ohne Hintergrundgeschichte.“
Hätte sich das geschrumpfte Mädchen zu ihrem Nachbarn umgedreht, hätte sie das verschmitzte Grinsen auf seinem Gesicht beobachten können,
„Ich habe während des Studiums ein Auslandsjahr in Amerika absolviert“, erwiderte Subaru, während er sich mit einem fragenden Blick in der Küche umsah. „Dort habe ich dann das eine oder andere Gericht aus der Weihnachtszeit aufgeschnappt. - Wo ist denn nur das - Ah!“, entfuhr es ihm, als er endlich das Nudelholz fand und den Teig ausrollte. „Es ist definitiv eine ganze andere Erfahrung, Weihnachten in einem christlichen Land zu feiern. Und selbst wenn wir den religiösen Hintergrund nicht haben, wollte ich den Kindern doch etwas vom christlichen Weihnachtsfest mitgeben.“
Ai hatte mittlerweile eine kleine Springform mit Backpapier ausgelegt und füllte nun vorsichtig den zitronengelben Teig hinein, darauf bedacht, ihn gleichmäßig zu verteilen. „Wie sollen wir denn ohne religiösen Hintergrund eines der Hochfeste der Christen nachvollziehen können? Gerade wir Kinder?“ Sie hatte den Kuchen im Backofen geparkt und drehte sich nun um 180°, um dem Studenten bei den Keksteigen zu helfen. Um an die Theke zu reichen, musste sie wieder ihren Schemel bemühen und während sie diesen bereitstellte, versuchte sie sich an das zu erinnern, was sie in Amerika über das Weihnachtsfest gelernt hatte. In ihrer Erinnerung gab es jedoch nichts herauszukramen; sie hatte nie Freunde in den Staaten und somit keinen, der sie zu einer der Festlichkeiten einladen würde. Ihr Wissen über Weihnachten erstreckte sich lediglich über das, was in der Werbung darüber verbreitet wurde: Jeder Amerikaner brauchte einen Weihnachtsbaum, Unmengen an Weihnachtsschmuck und natürlich jede Menge Geschenke für seine Freunde. Sie wollte nur einer einzigen Person Geschenke machen - ihrer Schwester Akemi. Und das konnte sie auch zu den traditionellen japanischen Festen, von denen beide Schwestern mehr verstanden.
„Die Christen feiern an diesem Tag die Geburt Gottes Sohns“, erklärte Subaru ihr nun und reichte ihr den Zucker hinüber, welchen sie sofort mit Butter verrührte, ein wachsames Auge auf der Eieruhr und dem Backofen, in dem der Christmas Cake langsam aber sicher wuchs. „Er war ein Mensch, der sich für andere Menschen eingesetzt hat, für den jeder Mensch gleich viel wert war. Er verbreitete die Kunde über die Nächstenliebe. Und ich denke, das die Kinder nicht genug über Nächstenliebe erfahren können, oder?“
„Hmpf“, lautete die kurze Antwort ders rotblonden Mädchens, welches nun ihrerseits nach dem Nudelholz griff, um den Teig auszurollen. „Braucht es denn unbedingt diesen Tag einmal im Jahr, damit die Menschen sich daran erinnern?“ Ai legte das Nudelholz zur Seite und schnappte sich blind einen der Plätzchenausstecher, die sie sich von den Kindern geliehen hatte. Als sie jedoch sah, welches Tier sie herausgezogen hatte, konnte sie lediglich mit ihren azurblauen Augen rollen. Wo zum Teufel hatte Genta einen Ausstecher in Form einesAals gefunden??
„Ich meine: Die Menschheit ist zunehmend auf sich selbst fixiert. Ist es nicht heuchlerisch, einen Tag im Jahr so zu tun, als sei man am Schicksal anderer Menschen interessiert, um sich die anderen 364 Tage im Jahr wieder mit geschlossenen Augen an ihnen vorbeizuschleichen?“
Subaru blickte von seinem vollgepackten Backblech auf; ihre Augen trafen sich. „Lass es mich so formulieren“, begann der Student nun und legte für einen Moment eine Pause ein. „Du hast Recht. Es ist heuchlerisch von den Menschen, sich lediglich einmal im Jahr für andere Menschen zu interessieren. Mir ist es dennoch lieber, wenn die Menschen sich wenigstens an einem Tag im Jahr für andere interessieren, als wenn sie es nie machen würden.“
Nach getaner Arbeit, zumindest für die nächsten Stunden, trat Subaru ans Waschbecken heran und öffnete den Hahn, um sich die Hände zu reinigen. Sie hatten inzwischen alle Teige vorbereitet und mussten die fertig bestückten Blecke nur noch in den Backofen schieben. „Manchmal muss man kleine Schritte machen, um ein großes Ziel zu erreichen. Den Kindern die Kunde der Nächstenliebe näher zu bringen ist einer dieser Schritte, den wir gehen müssen.“
Sorgfältig trocknete er seine Hände an dem altmodischen, blümchengemusterten Handtuch ab.
„Sind sie immer so selbstlos?“, Ais rechte Augenbraue schoss in die Höhe und sie blickte ihr gegenüber eindringlich an, bevor auch sie ihre Hände wusch. „Wenn es jetzt nicht um die Kinder ginge – wenn es Erwachsene wären: Würden Sie die ganze Prozedur immer noch durchziehen?“
Die Worte Ais erzeugten erneut ein Lächeln auf Subarus Gesicht. „Es geht nicht darum, wem man eine Freude macht. Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen. Senioren. Die Freude ist nicht mehr oder weniger wert, wenn sie jemand anders zu Teil wird. Das Einzige, das zählen sollte, ist, dass man einen Menschen zum Lächeln bringen konnte. Die aufrichtige Freude und das Lächeln einer Person können viel mehr wert sein als Geld oder Geschenke. Und dafür lohnt sich die Mühe.“
***
Oh, sie hatte sich selbst übertroffen. Das Wohnzimmer sah unglaublich aus.
Gut, zugegeben, Subaru hatte ebenfalls einen großen Anteil des Lobes verdient. In ihrer geschrumpfen Form war es ihr schließlich nicht möglich gewesen, mehr als ein Drittel der Tanne, welche direkt vor dem großen Fenster stand, zu schmücken. Nun leuchtete sie dank einer langen, bunten Lichterkette in allen erdenklichen Farben des Regenbogens, welche von den bunten, verschieden großen Kugeln am Baum reflektiert wurden. Sie hatten aber nicht nur einen Baum aufgestellt: Am Kamin hingen nun vier Socken, eine für jeden Detektiven (außer Conan, der sich vehement dafür eingesetzt hatte, den Tag bei den Moris zu verbringen), die Ran vor einiger Zeit extra mit den Namen bestickt und mit einigen Süßigkeiten befüllt hatte.
Der kleine Cafétisch war dem Esstisch aus der Küche gewichen und mit einer großen, mit Tannenzweigen bedruckten Tischdecke und festlichem Geschirr gedeckt. Selbst die Essstühle waren durch ihre Stuhlhussen in Form von Weihnachtsmützen festlich geschmückt.
Auf jeder Oberfläche und in jeder Ecke des Raumes fand sich ein kleiner Dekogegenstand: Hier ein kleiner Weihnachtsmann, dort ein Schneemann, woanders ein Tannenzweig mit einer daran baumelnden Weihnachtskugel.
Subaru und Ai hatten sich beide dagegen entschieden, die vom Professor eigens besorgten Mistelzweige aufzuhängen; sie wollten weder Mitsuhiko noch Genta eine Steilvorlage bieten, ihre Hormone ein halbes Jahrzehnt zu früh erwecken zu wollen.
Den Feinschliff ihrer Dekoration bildete der Sprühschnee, den sie in den Ecken der Fenster verteilt hatten und der somit eine winterliche Stimmung in dem sonst wohlig warmen Raum verbreitete.
Ja, so, wie es hier aussah, konnten die Kinder ruhig kommen.
Sie hatten im Zuge der Dekorationsarbeiten kaum Worte gewechselt, die meiste Zeit lief im Hintergrund eine J-Rock CD (denn es graute beiden jetzt schon davor, den restlichen Abend nur noch Weihnachtslieder hören zu müssen). Nun, nachdem die Laufzeit der CD um war, hatte sich eine Stille im Raum ausgebreitet, in der man eine Stecknadel zum Boden hätte fallen hören können. Diese Stille war auch der Grund für das plötzliche Zusammenzucken Ais, als sie Subarus Stimme vernahm.
„Es wird Zeit. Wir sollten den Truthahn und die Beilagen langsam vorbereiten.“
***
„Ich frage mich, wie das Haus des Professors von innen aussieht!“ Die aufgeregten Stimmen der Kinder drangen von außen in den Flur hinein. Schnell stellte Ai die Plätzchen auf den Esstisch und Subaru brachte den festlich dekorierten Christmas Cake ins Wohnzimmer, als das Kinderlachen nun aus dem Flur zukommen schien. Sie hörten,wie die Kinder aufgeregt ihre Jacken und Mäntel aufhingen, ungeduldig ihre Schuhe auszogen und sofort ins Wohnzimmer getrampelt kamen.
Und in dem Moment, in dem die Kinder das Winterwunderland des Wohnzimmers entdeckten, ihre Augen sich weiteten und ihre Münder alle erst ein überraschtes „o“ formten und sich dann in breite Lächeln formten, welche die strahlend weißen Zähne der Kinder sichtbar machten, stahl sich Subarus linke Hand auf Ais linke Schulter. Die kleine Geste geschah von den Gästen unbeobachtet, denn sie stürmten nun in alle Ecken des Zimmers, sogen die nach Zimt duftende Luft ein und bestaunten jeden einzelnen Winkel, der dekoriert war.
Aber Ai wusste, was Subaru mit der Geste ausdrücken wollte, und tätschelte ihrerseits seine Hand augenrollend. Ja, sie hatten eine gute Arbeit geleistet. Die Kinder waren begeistert. Er hatte Recht: Das Lächeln dieser drei Kinder war den ganzen Stress wert gewesen.
Beinahe von den Anwesenden vergessen kam auch endlich der Professor tief schnaufend im Wohnzimmer an und hielt der verdutzten Ai ein Blutzuckermessgerät vor die Nase.
„Sieh nur, Ai-kun! 90 mg/dl! Besser kann mein Blutzucker vor dem Essen gar nicht mehr sein! Damit habe ich mir doch eine Extra-Portion Plätzchen verdient, oder?“
Das junge Mädchen blickte kurz nach oben; Subaru spiegelte ihre Bewegung und blickte auf sie herab. Als hätten sie sich abgesprochen, schauten sie nun wieder den Professor an und nickten; es dauerte keine Sekunde, bis der Professor mit einem breiten Grinsen seinen Teller bereits voller Kekse geladen hatte.
Die fleißigen Bäcker lachten nur und setzten sich ihrerseits an den Tisch, an den nun auch endlich die Kinder herantraten. Während Ai den Wintertee in das beste Geschirr des Professors goß und Subaru den Christmas Cake auf die ihm entgegengestreckten Teller verteilte, stellte sich eine wohlige Wärme im Herzen der jungen Wissenschaftlerin ein. Sie ließ ihren Blick über die Tafel wandern: Genta und Professor Agasa vergruben ihre Gesichter beinahe in ihren Tellern, Mitsuhiko schien gefesselt vom reich geschmückten Baum und Ayumi schlürfte glücklich den warmen, würzigen Tee. Ais Blick fiel nun wieder auf Subaru. Er schien ebenfalls ausgeglichen und seine Lippen trugen ein breites Lächeln, als er so wie sie seine Mitmenschen beobachtete.
Er hatte Recht. Die wochenlange Planung, das frühe Aufstehen und der Stress waren es wert gewesen. Dank dieser Anstrengungen durfte sie nun das Lächeln von fünf Personen, die ihr ans Herz gewachsen waren, genießen.